Als integrale interkulturelle Beraterin ist es für mich „normal“ zwischen Welten hin und her zu schalten. Wenn ich es schaffe mich mit diesen Welten zu verbinden gibt es für mich keine Getrenntheit mehr, sondern nur noch Fülle an Möglichkeiten. Logischerweise auch für meine Kunden. Das ist es schließlich, was mich und meine Arbeit ausmacht.

Heute möchte ich gerne auf das Thema männliche und weibliche Qualitäten näher eingehen und gleichzeitig auch auf die östlichen und westlichen Denkweisen. Denn als ich mich in Episode 1 meines Podcasts mit Adeline Gütschow darüber ausgetauscht hatte, kamen zum Teil Rückmeldungen, die offensichtlich  diese Begrifflichkeiten missverstehen. Es zeigt mir auch hier, wie im persönlichen Austausch, dass es nicht ausreicht, zu betonen, dass es sich hierbei um die Qualitäten beziehungsweise Prinzipien handelt und nicht um die Geschlechter. Manche haben beim Zuhören ein ungutes Gefühl bekommen, weil sie die Geschlechter, also Männer und Frauen, verstehen. Und genau das ist es eben nicht, was wir versuchen zu beschreiben und zu erklären.

Warum ist es mir ein Anliegen dies klar zu unterscheiden? Zum einen weil ich nicht möchte, dass ein Geschlechterkampf entfacht wird. Denn dann kommen wir genau dort hin, was nicht weiterhilft. Und zweitens: wenn wir es schaffen in Wirtschaft und Politik (und weiteren Disziplinen) eine Balance zwischen männlichen und weiblichen Qualitäten zu bekommen, dann haben wir als Menschen auf lange Sicht vielleicht noch eine längere Chance auf dem Planeten zu (über)leben.

Lassen Sie mich kurz ausholen: Wir haben über die letzten Jahrzehnte tolle Dinge als Menschheit erreicht und geschaffen. Wir haben den Mond bereist, haben Plastik erfunden, das uns das Leben sehr erleichtert hat, durch das Internet wurden Entwicklungen vorangetrieben, die man sich früher nicht hätte ausmalen können. Was  bin ich dankbar, auf Grund von Social Media, Skype, Whats App usw. in Kontakt mit meinen Verwandten und Freunden in Indien und weiter verteilt auf der Welt sein zu können. Das sind Errungenschaften, die ich nicht mehr missen möchte. In den letzten Jahren ist mir aber bewusst geworden, dass wir auf der einen Seite tolle Lösungen für Herausforderungen ge- und erfunden haben, aber auf Grund unserer Lebensweisen diese so ausgenutzt haben, dass sie nun schädlich für uns sind. Also, dass diese Lösungen von damals die heutigen Probleme sind.

Nehmen wir das Beispiel Klimakrise… ja die gibt es auch noch, mitten in der Coronakrise. Meiner Meinung nach haben uns unsere hart erarbeiteten Lebensweisen dahin gebracht, wo wir uns heute befinden. Also zum Beispiel die Art des Wirtschaftens. Höher, schneller, weiter war die Devise. Das Interessante an der ganzen Sache ist nur, dass z.B. das Ziel „mehr Gewinn um x % pro Jahr“ ja nicht wirklich ein Ziel ist, denn wenn sich ein Unternehmen dies jedes Jahr vornimmt, dann geht dies ins unendliche.

Die Prinzipien „Höher“ „schneller“ „weiter“ sind klassische männliche Prinzipien. Viele sind geneigt zu sagen, dadurch dass die Welt überwiegend durch Männer regiert wird (sei es in Unternehmen und in der Politik, Wirtschaft usw.) mehr männliche Qualitäten vorherrschend sind. Nun, lassen Sie uns Frauen in Führungspositionen betrachten. Ich bin auf Grund meiner Erfahrung geneigt zu sagen, dass selbst Frauen eher männliche Qualitäten leben, und auf Grund der eigenen Erziehung und dem Umfeld, in denen sie unterwegs sind, es verlernt haben, ihre weiblichen Qualitäten zu nutzen. So kann es folglich nicht an den Männern allein liegen, dass die Welt gefühlt vorherrschend männliche Qualitäten lebt. Was wir verstehen müssen, dadurch, dass wir alle von einem Mann und einer Frau „produziert“ werden, alle Männer und Frauen BEIDE Qualitäten in sich tragen.

Ausserdem dürfen wir nicht vergessen, dass es immer noch überwiegend Frauen sind, die die Kinder auf dieser Welt erziehen. Sie selbst haben in sich oft die männlichen und weiblichen Prinzipien nicht ausgeglichen. Je nach dem von welchem Land und von welcher Kultur wir sprechen ist das eine mehr und das andere weniger ausgeprägt.

Was brauchen wir also, um mehr weibliche Qualitäten zu leben? Für mich ist unter anderem das Thema „Verbundenheit“ ein sehr wichtiger Aspekt. Beobachte ich im Rückblick das Weltgeschehen in den Anfängen der Coronakrise, gab es eine Gemeinsamkeit, die heraussticht:  Das ist Verbundenheit. (eine kleine Notiz am Rande: Ich spreche hier jeweils vom roten Faden durch Deutschland und behaupte nicht dass das immer so war und so auch immer gelebt wurde. (Klassisches Beispiel: Horten von Toilettenpapier und Nudeln –auf das Rezept warte ich übrigens immer noch).

Aber der rote Faden hat mir gefühlt eine Art von Verbundenheit gezeigt, die ich seit langem nicht mehr so im Kollektiv erlebt habe. Verbundenheit im Sinne von Füreinander da sein, gegenseitiges Helfen, egal ob Alt oder jung ein Verständnis füreinander, dass es so nicht gab. Vor allem in einer individualistischen Gesellschaft wie Deutschland ist das etwas Besonderes. In individualistischen Gesellschaften ist die kleineste Einheit das Individuum. Es regelt eigenständig, wie es seine Beziehungen um sich herum gestaltet.

In kollektivistischen Gesellschaften ist die kleineste Einheit die Familie, wobei die Definition davon schon sehr breit gefächert ist. Das Individuum tritt zum Wohle der Gemeinschaft zurück. Auch in Bezug auf Entscheidungen, die ihn allein betreffen. Es gilt vor allem das, was für das Kollektiv „richtig“ ist. In interkulturellen Seminaren erkläre ich diese Unterschiede im Businesskontext ausführlicher.

In kollektivistischen Kulturen ist das, was wir hier in Bezug auf Verbundenheit jetzt erlebt haben selbstverständlicher. Dieser Kollektivismus ist noch von konventionellem Denken geprägt der eng mit Hierarchien verbunden ist. Es hat weniger mit dem „alle Menschen sind gleich zu tun“ sondern eher, ich muss für meine Familie da sein, weil ich das so gelernt habe, und eine Hierarchie über mir das so wünscht.

Was ich in Deutschland erlebe ist eine etwas andere Art, und zwar die der Verbundenheit, wo alle gleich sind, egal ob jung oder alt, arm oder reich. Wir sind füreinander da, vor allem für die, die allein sind. Da wäre ich sehr neugierig von Ihnen zu hören, wie Sie das erlebt haben bzw. noch erleben. Gerne können Sie mir dazu etwas schreiben.

Wenn dieses Verhalten im Kollektiv, das wir zurzeit in Deutschland erleben auch auf die Wirtschaft und die Politik übertragen werden könnte, wie würden denn Lösungen aussehen, die in diesen Disziplinen den gesamten Planeten mit einschließen (also Mensch, Tier Pflanzen und Erde)?

Ist denn ein bedingungsloses Grundeinkommen so unrealistisch? Oder nicht schon längst Zeit dies einzuführen? Gemeinwohlökonomie ist aus meiner Sicht auch schon ein Weg, worin sich Unternehmen selbst überprüfen können wie „nachhaltig“ sie wirklich sind, und welche Maßnahmen sie ergreifen wollen und können, um eben den gesamten Planeten in Ihren zielen zu berücksichtigen? Welche Werte brauchen Unternehmen, die nicht nur an Gewinnmaximierung denken sondern auch zum Wohle des Planeten Systeme entwickeln in denen alles Lebewesen in Würde leben können?

Was brauchen Landwirte auf dieser Erde um unser Essen, das wir täglich auf dem Tisch haben so herstellen zu können, dass kein Leid für sie, die Tiere und dem Boden entsteht? Lösungen sind schon alle vorhanden. Es gilt diese nun nachhaltig und konsequent zu implementieren.

Natürlich kann und muss ich als Individuum mir genau die gleichen Fragen stellen, und mir bewusst werden, welche Verantwortung ich in meinem Tun und Handeln leiste. Ich erkenne immer mehr, wie sehr östliche Weisheiten Fuß in der westlichen Welt fassen. Die Bhagavad Gita, ist ein altindisches Epos. Hier werden unter anderem auch die weiblichen und männlichen Prinzipien beschrieben. Das männliche Prinzip, PURUSHA, ist das gebende Prinzip. Das weibliche Prinzip, PRAKRITI, ist das empfangende Prinzip. Wie lassen sich diese Qualitäten auch in Führungsthemen integrieren?

Die indischen Gottheiten haben alle immer eine männliche und weibliche Seite. Zum Beispiel ist die weibliche Seite von Gotte Shiva, dem Zerstörer, die Göttin Kali, Zwar werden sie getrennt gezeigt sind aber das gleiche Prinzip in unterschiedlichen Qualitäten.  Übrigens ist Zerstörung nicht unbedingt etwas Negatives, denn aus indischer Sicht muss etwas zu Ende gehen, damit Neues Platz hat im Leben.

Mir ist es wichtig in meinen Beratungen einen Ausgleich zu schaffen, Und das nicht nur in den männlichen und weiblichen Prinzipien. Diese getrennt zu betrachten ist sowieso falsch und meines Erachtens sinnlos. Denn sie sind alle in uns. Ob wir wollen oder nicht.

Meiner Meinung nach ist das Prinzip der Getrenntheit sowieso ein sehr westliches Prinzip, das auch  in Indien seit der Kolonialisierung gelebt wird, und die alten indischen Weisheit im verborgenen schlummern. Dazu werde ich in einen meiner nächsten Podcasts und Blogs mehr sagen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Gedanken zu den männlichen und weiblichen Prinzipien verständlich erklären konnte. Ich freue mich über einen Austausch und Ihre Sichtweise darüber. Gerne können Sie mir Ihre Nachrichten zukommen lassen.

Text & Bild: Purvi Shah-Paulini 

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„Meine Vision ist es, für Ärzte, medizinisches Fachpersonal und Patienten ein menschliches Umfeld zu schaffen, in dem Gesundheit und Heilung stattfinden kann“ – Claudia Ahl

Seit nunmehr 20 Jahren ist es Claudia Ahls Herzensanliegen, Menschen darin zu unterstützen ihr größtes Potenzial zu entwickeln und dieses in ihrem Leben zu integrieren. Seit über drei Jahren wendet sie ihr Wissen hauptsächlich für Arztpraxen und Kliniken an.
Zusammen mit ihren Kooperationspartnern hat Claudia ganzheitliche Lösungen für den medizinischen Bereich erarbeitet, die die Hauptengpässe Personal, Strukturen und Führungsthemen lösen. Was man von Pferden zum Thema Führung lernen kann? Hört rein.