70 Jahre Unabhängigkeit vs. 5.000 Jahre Zeitgeschichte
Einer meiner Einführungsübungen in Teamtrainings, das heißt, wenn deutsche und indische Kollegen zusammen interkulturell sensibilisiert werden ist, Stereotypen über die jeweiligen Länder zu nennen und während des Trainings hinterfragen wir diese (oft typischen) genannten Stereotypen.
Dabei fallen für Indien sehr häufig die Begriffe „Atommacht“ und „Armut“ sowie „Paläste“ und „Slums“. Dass Indien eine sehr lange und reiche Historie hat, ist den Teilnehmern nicht immer bekannt. Darauf wird im Laufe des Trainings kurz eingegangen (auch auf die deutsche Geschichte), denn um gute Geschäfte zu machen, ist es hilfreich die Historie eines Landes zu kennen.
Die Engländer besetzten Indien knapp 90 Jahre (1858-1947) (diese Zeit ist auch als Britisch-Indien bekannt).
Wie genau entstand dies?
Die Industal-Zivilisation, größtenteils im heutigen Pakistan gelegen, war eine der frühen Hochkulturen der Welt, mit einer eigenen Schrift, der bisher nicht entzifferten Indus-Schrift. Ihre Geschichte reicht mindestens 5.000 Jahre zurück. Um etwa 2.500 v. Chr. existierten dort geplante Städte wie Harappa, mit einer Kanalisation, Seehäfen und Bädern.
1857 lehnten sich hinduistische und muslimische Soldaten gegen ihre britischen Befehlshaber, der britischen Ostindien-Kompanie auf. Dieser Aufstand war auch unter den Namen Sepoyaufstand bekannt. Dabei beschränkte sich dieser Aufstand auf den Norden Indiens und betraf die Bundesländer Uttar Pradesh, Bihar, der Norden von Madhya Pradesh sowie die Region um Delhi.
Nachdem dieser Aufstand niedergeschlagen wurde wurde Britisch-Indien gegründet indem die Gebiete der Britischen-Ostindien-Kompanie in eine Kronkolonie umgewandelt wurden. Britisch-Indien umfasste zur Zeit seiner größten Ausdehnung nicht nur das Territorium der heutigen Republik Indien, sondern auch die Territorien der heutigen Staaten Pakistan, Bangladesch und Myanmar. Im Jahr 1876 wurde Königin Victoria von Großbritannien zur Kaiserin von Indien ausgerufen und das Kaiserreich Indien (Indian Empire) galt allgemein als der „Kronjuwel des britischen Empire“ („the Jewel in the Crown of the British Empire“). (Quelle: Wikipedia)
Das Besondere an Britisch-Indien war, dass nur zweidrittel seiner Bevölkerung und nur die Hälfte der Landfläche unter seiner Herrschaft, also direkt unter britischer Herrschaft stand. Der Rest wurde von einheimischen Fürstendynastien beherrscht. Diese Dynastien standen in einem persönlichen Treueverhältnis zur britischen Krone.
Welche Konsequenzen hatte das?
Die Frage, die sich mir hier stellt, wo wäre Indien heute, wenn es die Kolonialzeit nicht gegeben hätte?
Vor dieser Zeit war es ein sehr wohlhabendes Land mit Juwelen, Palästen, und florierendem Handel. Das vedische Zeitalter (1500 – 500 v. Chr.), das den Hinduismus geprägt hat und die sog. Varnas entstehen ließ. Wörtlich übersetzt bedeutet Varna „Farbe“, was nichts mit der Hautfarbe zu tun hat. Der Grundgedanke dieses Systems beinhaltete Harmonie und Kooperation zwischen Menschen, die in einer Gemeinschaft zusammenlebten. Diese Menschen mischten sich nicht in andere Belange ein und traten auch in keinen „Wettbewerb“ wie man es aus dem heutigen Kastensystem kennt. Fälschlicherweise wird heute Varna mit „Kaste“ übersetzt. Das Kastensystem (inkl. der Begrifflichkeit „Kaste“), wie man es heute kennt, wurde vermutlich durch die Engländer eingeführt. Ihren Einfluss auf die Fürsten und deren Habgier konnten die Kolonialherren zu ihren Gunsten nutzen. Die indische Gesellschaft wurde durch die Einführung des heute bekannten Kastensystems geschwächt. Und aus dieser Gesellschaftsstruktur kommt der Subkontinent bis heute schwer heraus.
Ein Gesellschaftssystem mit den kollektiven Werten zusammen mit dem politischen System ist ausschlaggebend für die Entwicklung eines Landes. Auf der einen Seite ist der Subkontinent (genauso wie sein Nachbar Pakistan) eine Atommacht. Aber das inoffizielle Anerkennen des Kastenwesens ist heute noch zu spüren. Aber es gibt Veränderungen in dem seit 1947 unabhängigen Indien. Die Bevölkerung stellt sich immer mehr gegen die Ungleichheiten. 70 Jahre Unabhängigkeit haben seine Spuren in einer 5.000 Jahre alten Kultur hinterlassen.
2018 steigt Indien zu der fünftgrößten Wirtschaftsmacht auf. Vielleicht hätte das auch früher passieren können, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre und das Bewusstsein der Bevölkerung sich anders entwickelt hätte.
Die Prognose durch „The World Economic Forum“ besagt, dass Indien bis 2050 nach China die zweitgrößte Wirtschaftsmacht sein wird. Um das erreichen zu können, wird viel passieren (müssen). Wir können gespannt sein, wie die Gesellschaft und die Politik diese Entwicklung mitmachen werden.
Text: Purvi Shah-Paulini
Bild: Purvi Shah-Paulini
Besuchen Sie mich im Sozialen Netzwerk.
Publikation
Neueste Podcast Episoden
Episode 17: Die Weisheitswerkstatt Interview mit Dr. Carola Strassner (Englisch)
Prof. Dr. oec.troph. Carola Strassner, Leiterin des Fachbereichs Oecotrophologie, Facility Management an der Fachhochschule Münster, teilt mit uns ihre Ansichten über Nahrungsmittel und den Zusammenhang zu Leadership. Welchen Einfluss haben verarbeitete Lebensmittel auf den menschlichen Organismus? Warum ist es wichtig einen tiefen Blick in das komplexe System des Bodens zu schauen?
Begleiten Sie uns auf diese multiperspektivische Reise.
Schauen oder hören Sie in diese neue Episode.
Episode 16: Die Weisheitswerkstatt Kapitel 8 „Aus der Seele heraus führen“ (Englisch)
Episode 16: Die Weisheitswerkstatt Kapitel 8 “Aus der Seele heraus führen”...
Episode 15: Die Weisheitswerkstatt „Weiblichkeit der neuen Zeit“ Interview mit Katrin Renner
Als Brückenbauerin zwischen Intellekt und Emotion sieht sich die Führungskraft einer namhaften Unternehmenberatung und Chakratherapeutin, Katrin Renner. Sie spricht über die „Weiblichkeit der neuen Zeit“ und warum es wichtig ist diese Qualitäten in uns (in Mann und Frau) zu vereinen und zu verbinden.
Sie spricht über die indischen Veden, die durch unsere Vorfahren vor tausenden von Jahren entwickelt wurden und heute aktueller denn je sind. Was haben Emotionen wie Angst, Scham, Freude usw. mit den Chakren zu tun? Farben spielen hier eine wichtige Rolle.
Hören und schauen Sie rein.
Episode 14: Die Weisheitswerkstatt Kapitel 7 „Leadership & Bewusstseinsentwicklung“
“Bei gleicher Umgebung lebt jedoch jeder in einer anderen Welt“ (Arthur Schopenhauer)
Wie kann es sein, dass die Entwicklung des Menschen vom Neugeborenen zum Erwachsenen so viele Stufen durchläuft? Vom einem kleinen „hilflosen“ Wesen bis hin zu einer erwachsenen Person, die komplexe Dinge schafft und im Alltag damit umgehen muss? Wie kann es sein, dass die eigenen Geschwister, die bei den gleichen Eltern groß werden, so unterschiedliche Weltsichten haben können? Die gleiche Frage trifft auf Kollegen zu, die z.B. mit einem das Büro teilen? Was bedeutet Bewusstseinsentwicklung in Bezug auf Führungskräfteentwicklung in Politik und Wirtschaft? Welche Art von Führungskräfte bauchen wir heute, um den so dringenden notwendigen Paradigmenwechsel, der wiederum mit Wertesystemen zu tun hat, einläuten zu können?
Episode 13: Die Weisheitswerkstatt Kapitel 6 „Emotionale Hygiene“ (Englisch)
“Wenn Du deine Vergangenheit nicht sterben lässt, lässt sie dich nicht leben.“ Dr. Traci Lynn
Jeden Morgen wachen wir auf, waschen und duschen uns und putzen die Zähne. Das gehört nun mal zur Hygiene dazu. Warum machen wir das nicht mit unseren Emotionen? Was passiert wenn wir das auch mit in die täglichen Rituale integrieren und welche Wege gibt es um emotionale Hygiene zu betreiben?
Hören oder schauen rein und begleiten Sie uns in unseren Gedankengängen.