Kultur und Sprache – Ein Fallbeispiel Kommunikation zwischen Japan und Deutschland
Es ist 16:00 Uhr nachmittags und meine muttersprachlichen Kollegen erreicht – wieder einmal – eine dieser dringenden Anfragen eines unserer Kunden in Tokyo: „Could you please review my email and the attached report… !“
Klar, wer Japan kennt und mit Menschen aus dieser Kultur zusammenarbeitet, der weiß, dass in Japan immer viel (sehr viel) gearbeitet wird, und dass eine E-Mail, die in Tokyo um 24:00 Uhr Ortszeit abgesandt wurde nichts Ungewöhnliches ist.
Dennoch überrascht immer wieder die Dringlichkeit, mit der der Wunsch nach sprachlicher Korrektheit im Englischen geäußert wird. Hier zeigt sich die unglaubliche Höflichkeit, die ich an Japanern so sehr schätze. Es gehört sich in diesem Kulturkreis einfach nicht, eine unsaubere bzw. nicht korrekte Arbeit zu erstellen und diese dann womöglich mit einer unklar formulierten E-Mail zu versenden. Wir Westeuropäer sehen das häufig deutlich lockerer, zumal wir im beruflichen Kontext unser Englisch für allemal ausreichend – und daher auch für nicht korrekturwürdig – halten. So nicht jedoch die Japaner. Bevor sie sich die Blöße geben, dass es mit dem Englischen vielleicht schwierig sein könnte, beantworten sie lieber eine E-Mail gar nicht oder es muss zunächst intern irgendwo im Unternehmen übersetzt werden, und erst dann erhalten wir die E-Mail beantwortet wieder zurück. In diesem Fall natürlich – denn die Freude ist ja groß, dass wir eine Antwort bekommen – beantworten wir diese E-Mail umgehend und mit unserem gewohnt „gutem“ Englisch. Leider dauert es wieder mindestens 14 Tage, bis wir eine Antwort erhalten, da unser Kontakt möglicherweise unsere Antwortmail zunächst übersetzen lassen muss, uns das aber aus den genannten kulturellen Gründen nicht mitteilen kann.
Sie können sich sicherlich denken, dass es enorm schwierig ist auf diese Art und Weise Geschäfte miteinander zu gestalten, denn die Zeit, die ins Land streicht bis ein dringendes Anliegen, wie hier z.B. zwischen Deutschland und Japan, geklärt ist, ist unendlich lang. Zeit, die wir alle in unserem beruflichen Alltag, weder hier noch in Japan, zur Verfügung haben.
Also bin ich doch sehr froh, dass unser eingangs erwähnter japanischer Kunde den Service für ein muttersprachliches Lektorat annimmt und seine Texte und E-Mails sprachlich und grammatikalisch überprüfen lässt.
Meine englischen Kollegen haben die E-Mail und den Report auch gleich korrigiert, die E-Mail nach Japan zurückgesandt. Um 17:30 Uhr, also um 1:30 Uhr morgens in Tokyo, erhalten wir noch ein glückliches Dankeschön aus Japan. Um 18:00 Uhr machen meine Kollegen und ich wie immer Feierabend. Ich denke daran, wie gut es uns geht, dass wir äußerst selten mal bis 23:00 Uhr im Büro sind, bis 1:30 Uhr Gott sei Dank noch nie!
Am nächsten Morgen haben wir schon die Antwort-E-Mail desjenigen erhalten, an den die E-Mail unseres japanischen Kunden gerichtet war. Denn auch die in Deutschland beschäftigten Mitarbeiter des Kunden in Japan nutzen nun den muttersprachlichen Lektoratsservice, um zu vermeiden, dass sie ihrerseits die japanischen Kollegen mit nicht richtig formulierten E-Mails oder Reports konfrontieren. Auf diese Weise wird der interkulurelle Umgang miteinander nicht nur angenehmer, sondern es geht auf einmal auch noch viel schneller.
Und schwupp, da kommt auch schon wieder der nächste Request aus Japan. Dieses Mal zu einer für beide Länder vertretbaren Zeit.
Es macht Spaß zwischen den Kulturen sowohl inhaltlich als auch sprachlich zu vermitteln. Ich wünsche mir mehr davon, da es einen respektvollen und zeitnahen Umgang miteinander gewährleistet!
Text: Alexander Seiler
Bild von Alexander Seiler zeigt Heidelberg. Ein beliebtes Ausflugsziel vieler Asiaten.
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Neueste Podcast Episoden
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Auch diesesmal spreche ich über das Thema Frugale Innovation. Zusammen mit Flo Oberhofer, einem deutschen Nachhaltigkeits-Berater, der in Indien lebt, unterhlaten wir uns über die Praxis.
In diesem Podcast unterhalten wir uns über „einfache“ Technologien, warum Over-Engineering in Ländern wie Indien nicht hilfreich sind, welchen Impact Flo mit seinem Team von Terra Preta in Indien hat und wie dadurch den Bauern geholfen wird, die natürliche und erschwingliche Dünger dadurch erhalten.
Terra Preta Impact Innovations LLP wurde gegründet, um in der EU ansässige Unternehmen und Organisationen bei der Entwicklung von Impact-Projekten und der Gründung von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit in Indien zu unterstützen.
Mit einem starken Fokus auf bewusstes und soziales Unternehmertum arbeitet Flo mit seinem Team in verschiedenen SDG-bezogenen Bereichen wie Biodiversität, CleanTech, Kreislaufwirtschaft, verantwortungsvolle Beschaffung oder regenerative Landwirtschaft. Durch die Gründung unabhängiger Unternehmen helfen sie Unternehmen, ihre Wertschöpfungsketten in Richtung eines zukunftsfähigen, nachhaltigen Ansatzes neu zu definieren.
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Das Gespräch mit Prof. Dr. Rajnish Tiwari gibt einen tiefen Einblick in das Thema „Frugale Innovation“ i.S.v. „angemessen“. Was kann die westliche Welt von Entwicklungen in Schwellenländern lernen und welche Ausswirkungen haben diese auf die Produktbeschaffenheit, auf den Weg den auch die westliche Welt gehen muss, um Ressourcenverschwendung zu vermeiden? Das und vieles mehr besprechen wir in diesem Podcast.
Viel Freude beim Reinhören.
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Heike Petersen Cunza hat mit Wellicious eine Marke für Yogakleidung entwickelt, die auf ehrliche und nachvollziehbare Nachhaltigkeit setzt. Wir sprechen über ihren Weg sich selbständig zu machen, welche inneren und äußeren Prozesse die dreifache Mutter durchlaufen ist und welche Hürden es beim Aufbau einer nachhaltigen Marke gibt. Wir durchleuchten in diesem Gespräch unterschiedliche Aspekte, die notwendig sind um die Komplexität , die dahinter steckt, auch beGREIFEN zu können. Danke Heike, für dieses wertvolle Interview, von denen Unternehmen, Zulieferer und Verbraucher lernen können.
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Episode 01/23 Weisheitswerkstatt: SCRUM in Internationalen Teams mit Elisabeth Tieben
Was ist Scrum? Wie lässt sich agiles Arbeiten im internationalem Kontext gut gestalten? Welche Herausforderungen gibt es, wenn agiles Arbeiten in einem Team das einerseits kollektivistisch und hierarchisch, andererseits Individualistisch geprägt ist? Die selbständige systemische Beraterin, Elisabeth Tieben, hat als Angestellte Produktmanagerin über 12 Jahre Erfahrung in agilen Projektteams gesammelt, bevor sie sich in 2022 selbständig gemacht hat. Mit ihr unterhalte ich mich über die obigen Fragestellungen. Viel Freude beim Reinhören.
Episode 1/22: In der Weisheitswerkstatt interviewt Daniela Sarrazin mich über „Aushalten und Vertrauen“
Der erste Podcast in diesem Jahr, und dieses mal werde ich von Daniela Sarrazin interviewt. Daniela beschreibt in ihrer Einleitung den Inhalt folgendermaßen: „In dem heutigen Podcast darf ich ein wundervolles, fast schon philosophisches Gespräch mit Purvi-Shah-Paulini führen. Dabei geht es uns um das „Aushalten und Vertrauen“. Mit einer wunderbaren Leichtigkeit widmen wir uns den Themen: „Aushalten dessen was ist“; dem, was der“ Veränderungsprozess mit uns macht“; „Vertrauen in mich selbst“; „Akzeptanz dessen was mein Gegenüber ausmacht“; dem „Vertrauen ins eigene Leben“; und letztendlich dem „Glauben daran, das alles gut wird.“ Mehr dazu in meinem Podcast….“
Danke, Daniela, für die Leichtigkeit in diesem Interview. Es hat mir großen Spass gemacht mal auf der „anderen Seite“ zu sein.