Integrales Change- Was bedeutet das?

Ist Ihnen aufgefallen, dass in der Landschaft des Change-Managements der Fokus entweder auf die Prozesse und Unternehmensstrukturen liegt oder neuerdings immer mehr auf die Kultur?

Die folgende Abbildung 1 verdeutlicht unterschiedliche Schwerpunkte:

Abbildung 1: Integrales Change vereinfacht dargestellt nach Rolf Lutterbeck

Diejenigen, die sich auf Strukturen und Prozesse konzentrieren sind darauf fokussiert, die Abläufe (Quadrant unten rechts: Funktion) zu optimieren und, wenn es große Gewinneinbußen gab, Stellen abzubauen. Der Mitarbeiter stand hier nicht im Fokus.

Es wurde in den letzten Jahren erkannt, dass, wenn die Mitarbeiter nur als „Ressource“ in einer Bilanz geführt und auch nur so behandelt werden, das den Unternehmen enorm schadet. Es führt zu mehr Angst, Angst führt zu Unzufriedenheit, Unsicherheit und Krankheit. Und somit zu ausfällen, die den Unternehmen viel Geld kosten.

Berater fokussierten Ihr Change daher in den letzten Jahren immer mehr auf die Unternehmenskultur (Quadrant unten links: Kultur) und dem Team. Die Unternehmenskultur sei das ausschlaggebende, wo sich ein Mitarbeiter mit identifizieren soll und folglich auch daran mitwirken muss. Und aus der Unternehmenskultur lassen sich viele weitere für das Unternehmen wichtige Prozesse und Handlungsfelder ableiten. Gerade für die Teamentwicklung ist die unabdinglich.

Eine gute Nachricht: Beide Ansätze sind richtig und unabdinglich. Aber nur teilweise! Warum?

Weil beide Sichtweisen nur ihren jeweiligen Ansatz betrachten und die anderen völlig außen vor lassen. Wenn Sie sich die Abbildung 1 anschauen, dann sehen Sie, dass alle Aktionen voneinander abhängig sind. Vergleichbar mit ineinander verzahnte Zahnräder: wenn ein Rad beginnt sich zu drehen, dann drehen sich die anderen auch.

Wie führt man zum Beispiel Prozesse in ein Unternehmen ein, die auch zur Unternehmenskultur passen?

In einem Projekt, in dem ich, Purvi Shah-Paulini, mit der Organisationsentwicklung beauftragt bin, geht es darum Bauernorganisationen in afrikanischen Ländern und Indien zu stärken, damit diese wiederum ihre Mitglieder, sprich Bauern, eine stärkere Stimme geben können. Hier arbeite ich in Indien mit einer Organisation zusammen, die schon seit 20 Jahren existiert. Anfang 2016 ist mit der Wahl eines neuen Präsidenten frischer Wind in die Organisation gekommen. Hier fängt Change schon an: Nicht jeder der Gründungsmitglieder ist mit diesem frischen Wind einverstanden. Warum, darauf komme ich  gleich nochmal zu sprechen. Es war zwar Struktur vorhanden. Aber in Richtung Professionalisierung waren neue Vorgehensweisen notwendig.

Dies wurde vor allem deutlich als herauskam, dass es keine gemeinsame Vision (Quadrant links unten: Kultur) gab. Und ohne Vision ist es nicht möglich eine Handlungsgrundlage, für alle vier Quadranten, wie in Abbildung 1 dargestellt, zu erlangen. In den letzten Jahren sind viele neue Akteure in die Organisation gekommen und haben nicht immer verstanden, was das Ziel der Gründungsväter war. Denn eine schriftlich formulierte Vision gab es bis dato noch nicht. Nach einem sehr ausführlichen Visionsworkshop entstand ein wundervolles Vision-Statement, was einerseits die Grundlage für alle weiteren Ziele legte und andererseits eine Richtung für aktuelle Aktionen gibt.

Während eines weiteren Workshops und Brainstormings zur Frage „Welche Aktionen sind zur Zeit an der Tagesordnung?“ zeigte sich anhand der Balanced Score Card deutlich, dass die Organisation viel dafür tut, um Mitglieder zu gewinnen und die Infrastruktur und Prozesse zu bedienen. Weitere wichtige Punkte, nämlich „Sicherung der Einnahmen“ oder auch „Bedienen der Stakeholder“ (u.a. Mitglieder, Regierung, Verbände, u.v.m.) wurden kaum oder gar nicht erfüllt.

Damit die Organisation überleben und langfristig bestehen kann, braucht diese aus unterschiedlichen Bereichen Einnahmen. Da die Organisation den Menschen und der Umwelt dienen möchte, möchten die Gründungsväter keine Gewinne erwirtschaften. Denn Gewinne führen zu Gier und Macht innerhalb der Organisation. Und somit würde der Hauptzweck, nämlich die Bauern in die Unabhängigkeit verhelfen und der Umwelt zu dienen in den Hintergrund geraten.

Aber die Mitarbeiter in dieser Organisation arbeiten ehrenamtlich. Alle Beteiligten gehen einer regulären Arbeit nach bei der sie ihren Lebensunterhalt verdienen. Es wird aber erwartet, dass die Mitglieder ausreichend Zeit in ihr Ehrenamt investieren.

Jetzt wurde erkannt, dass dies nicht mehr zu bewerkstelligen ist. Dementsprechend planen die neueren Mitglieder eine Strategie, um Mittel für Marketing, fest angestellte Mitarbeiter, Marketingmaßnahmen u.v.m. zu generieren. Das führt derzeit zu Unstimmigkeiten innerhalb der Organisation. Vor allem bei den Gründungsvätern.

Das sind einige der vielen Themen, die Veränderungen mit sich bringen. Veränderungen des Ist-Zustands in ein Soll-Zustand sind zwar greifbar, aber der Weg dorthin ist von Unsicherheiten begleitet. Menschen aus ihrer Komfortzone herauszubringen und zu zeigen, dass die kommende Veränderung notwendig ist, gehört genauso zum integralen Change dazu. Innen und Außen, Menschen und Systeme, müssen gleichermaßen berücksichtigt werden.

Wie Sie sehen ist das Thema Change in der heutigen Zeit nicht mit klassischen Standards zu lösen. Diese sind trotzdem notwendig um einen integralen Blick zu haben. Umgangssprachlich lässt sich angeblich Komplexität vereinfachen. Das stimmt nicht. Es geht eher darum zu erkennen, dass bestimmte Themen zum bestimmten Zeitpunkt eine unterschiedliche Dominanz haben und behandelt werden müssen. Dies vereinfacht es einen besseren Überblick über ein komplexes Thema zu bewahren. Und das am besten mit einer Leichtigkeit.

Wie heißt es so schön: „Wenn du willst, dass alles so bleibt, dann musst Du Veränderung zulassen.“

Neugierig geworden auf das Thema „Integral“? Der nächste Blog-Artikel handelt über Möglichkeiten von Organisations-und Strukturaufstellungen.

Auch unter https://livingindia.de/integrale-aspekte finden SIe mehr Informationen dazu. Sprechen Sie mich gerne darauf an.

 

Text: Purvi Shah-Paulini

Bild: pixabay

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– Virgil Kalyana Mittata Iordache

Wir identifizieren uns mit dem, was wir erreicht haben, was wir gesammelt oder gekauft haben. Wir identifizieren uns über unsere Rollen. Wir haben tatsächlich die tiefere Verbindung zu Liebe, Wissen und Ordnung verloren. Dadurch haben wir die Verbindung zu unseren unendlichen Ressourcen verloren.
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Viel Spass beim Zuhören oder anschauen des Videos. Andreas‘ erfrischende und leichte Art macht Freude.